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Es lohnt sich

Der Alumni-Verein Hamburger Soziologinnen und Soziologen ist das Netzwerk für den beruflichen, wissenschaftlichen und privaten Austausch für alle ehemaligen und aktuell Studierende der Soziologie an der Universität Hamburg.

Eine Mitgliedschaft im Alumni Verein lohnt sich für alle, denn wir bringen Alumnis, Studierende, Unternehmen und die Universität Hamburg zusammen.
  • Bewerbungstipps für Absolventen, Stellenbörse und Kontakte für den Berufseinstieg von Soziologen
  • Aktive Mitglieder, intensiver Austausch und abwechslungsreiche Veranstaltungen
  • Netzwerk für Studierende, Alumnis, Unternehmen und die Universität Hamburg
info@alumni-soziologie.de

14. Forum Wissenschaft

Die Einladung des 1. Vorsitzenden des BDS zu einem Gastvortrag in Hamburg hat eine Vorgeschichte: Auf dem 33. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel im Oktober 2006 war Erich Behrendt Mitorganisator und Moderator der Podiumsdiskussion „Schlüsselqualifikationen von Soziologen“. Vor dem Hintergrund, dass SoziologInnen größtenteils nicht für eine Forscherkarriere an Hochschulen oder in außeruniversitären Forschungseinrichtungen ausgebildet werden, sondern für Berufstätigkeiten in diversen Praxisfeldern, war die Veranstaltung bei zahlreichen Kongressteilnehmern auf lebhaftes Interesse gestoßen. Zugespitzt formuliert ging es darum, ob Soziologie-ProfessorInnen nebst ihren wissenschaftlichen MitarbeiterInnen darauf vorbereitet seien, Schlüsselqualifikationen für die Praxis zu vermitteln, und ob sie nicht selbst – in ihrer Lehre und in der Betreuung der Studierenden – charakteristische Defizite bezüglich mancher Schlüsselqualifikationen hätten.

Wir haben uns sehr gefreut, dass Dr. Erich Behrendt der Einladung des AVHS e.V. gefolgt ist, um das Thema Schlüsselqualifikationen mit unseren Alumni und AbsolventInnen, StudentInnen und ProfessorInnen im „Pferdestall“ der WiSo-Fakultät zu diskutieren. Aktuell ist das Thema nicht zu letzt (wieder) deshalb, weil die Universitäten zunehmend versuchen, sogenannte „Soft Skills“ wie Teamorientierung und Kommunikationsfähigkeit in die Lehre zu integrieren. In den Curricula der neuen Bachelor-Studiengänge ist der Erwerb von Schlüsselqualifikationen ausdrücklich vorgesehen: so umfasst der gesonderte Studienbereich Allgemeine Berufsqualifizierende Kompetenzen (ABK) an der Universität Hamburg 15 Prozent des B.A.-Studiums; hier sollen die Studierenden nicht nur Kompetenzen wie Fremdsprachen oder Präsentationstechniken erwerben, sondern auch berufspraktische Erfahrungen sammeln.

Befragungen belegen, dass Arbeitgeber und AbsolventInnen Schlüsselqualifikationen ein große Bedeutung beimessen. Laut den Befragungen, so Behrendt in seinem Vortrag, beurteilten AbsolventInnen die Inhalte ihres Studiums für die Praxis überwiegend negativ, das Erlernen (implizierter) Methoden als hilfreich und positiv. Arbeitgeber hingegen betonten die hohe Bedeutung von Schlüsselqualifikationen, berufsfeldorientierten Kompetenzen oder überfachliche Qualifikationen. Geprügt wurde der Begriff der „Schlüsselqualifikationen“ von Dieter Mertens, 1967 bis 1987 Leiter des neugegründeten Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), in einem Vortrag von 1972 (schriftlich niedergelegt 1974 in: Dieter Mertens: Schlüsselqualifikationen. Sonderdruck aus: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Nr 1./1974, 30. April 2007 )

Nach Mertens sind Schlüsselqualifikationen „solche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche nicht unmittelbaren und begrenzten Bezug zu bestimmten, disparaten praktischen Tätigkeiten erbringen, sondern vielmehr a) die Eignung für eine große Zahl von Positionen und Funktionen als alternative Optionen zum gleichen Zeitpunkt, und b) die Eignung für die Bewältigung einer Sequenz von (meist unvorhersehbaren) Änderungen von Anforderungen im Laufe des Lebens.“ Dabei handelt es sich um „übergeordnete Bildungsziele und Bildungselemente, die wir Schlüsselqualifikationen nennen, weil sie den Schlüssel zur raschen und reibungslosen Erschließung von wechselndem Spezialwissen bilden.“ (Mertens 1974)

Erich Behrendt spezifiziert die allgemeinen Definitionen der Schlüssel, indem er sie voneinander abgrenzt nach 1. Bildungsniveau, also Schulabschluss, Berufsausbildung, Akademischen Abschluss, 2. nach Fachgebiet, und 3. nach Kompetenzbereichen. Zu den individuelle Kompetenzen gehören z. B. Lesen, Zeitmanagement, Erklären können, zu den sozialen Kompetenzen zählt er z. B. Umgangsformen, Moderationstechniken, Aktives Zuhören, und als Kompetenzen der Pragmatik nennt er z. B. den Umgang mit knappen Ressourcen, die Absolvierung von Praktika, und nicht zuletzt mikropolitische Kompetenzen, d. h. wie gehe ich mit Machtstrukturen und Hierarchien um.

Praktiker und Arbeitergeber erwarten, so Behrendt weiter, in der Regel von ihren Bewerbern Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen, dass sie lernfähig und flexibel einsetzbar, sozial „kompatibel“ sind, also angemessene Umgangsformen und Kleidung pflegen, und dass sie überfachliche Methoden und Techniken beherrschen. Besonderen Wert legten Arbeitgeber auf sogenannte „bürgerliche“ oder Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit oder Fleiß. Solche Schlüssel und Tugenden würden häufig erst in der Praxis sichtbar, wenn man einander kennen gelernt und sich bewährt oder eben nicht bewährt hat. Hier gewinne man durch Praktika. Der Einstieg in das Berufsleben fällt leichter und kann früher zum Erfolg führen, weil das Risiko für die Arbeitgeber minimiert wird, da „man weiß, woran man ist“.

Die Schwierigkeit bestehe nun darin, wie ich die erwarteten Schlüsselqualifikationen erwerben kann. In den meisten Fällen, betont Erich Behrendt, müsse internalisiertes Verhalten geändert werden. Das „Verlernen“ von Habitusformen fällt umso schwerer, da sie während der primären und sekundären Sozialisation tief verinnerlicht worden sind. Wer (erwartete) Schlüsselqualifikationen frühzeitig erwirbt, privat, in der Ausbildungsstätte und in Unternehmen, der wird die Anforderungen in Beruf und Leben leichter bewältigen. Behrendt empfiehlt die Entwicklung eines privaten Curriculums zur Entwicklung der eigenen Schlässelqualifikationen, die Eingrenzung der notwendigen Schlässelqualifikationen durch den Kontakt mit den gewänschten Berufsfeldern und Praktikern, das Nutzen entsprechender Angebote der Hochschulen, regelmäßiges Einholen von Feedback, kurz: es gehe um das „Machen und Reflektieren“.

Was Lehrende tun können, zumal sie selbst gewisse Defizite bezüglich mancher Schlüsselqualifikationen hätten, erläuterte Behrendt am Beispiel einer Kooperation zwischen dem BDS und den Universitäten Duisburg-Essen, Bochum und Dortmund. Dort erteilen Betriebe Aufträge für empirische Erhebungen über die Dauer von zwei Semestern. Betreut von Dozenten arbeiten die Studenten in Kleingruppen. Besonderes Augenmerk gilt der Reflexion des Projektverlaufes, sowohl dem eigenständigen als auch dem partnerschaftlichen Arbeiten (zwischen Dozenten und Studenten), der Moderation von Veranstaltungen und der Präsentation von Ergebnissen. Hier lernen und erwerben Studierende (und Dozenten) fach- und berufspezifische Schlüsselqualifikationen unter gleichsam „realen“ Bedingungen. Da es einen „echten“ Auftaggeber gibt, sind Lehrende und Studierende aufeinander angewiesen, um die Projektergebnisse termingerecht und professionell aufbereitet liefern zu können.

Das Beispiel mache deutlich, dass der Erwerb fach- und berufspezifischer Schlüsselqualifikationen schon während des Studiums möglich ist, wenn in der Lehre entsprechende Techniken angewendet und reflektiert werden. Erich Behrendt empfiehlt den Universitäten dringend, die eigene Fortbildung der Lehrenden zu fördern, die Kooperation mit Fach- und Berufsverbänden zu suchen, seminaristische Zusatzangebote bereits vor dem Studium anzubieten, und vor allem sich auf die erwähnten fach- und berufsspezifischen Schlüsselqualifikationen zu konzentrieren. Denn: „Um praxistauglich auszubilden, brauchen wir auch Praktiker an den Hochschulen. Entweder entwickeln sich die Professoren oder externe Trainer müssen eingebunden werden.“ Allerdings könne und dürfe man das System Hochschule nicht überfordern. Viele an den Hochschulen diskutierten Schlüsselqualifikationen sollten mit dem Erwerb der Hochschulreife vorhanden sein, da Schlüssel wie Fremdsprachen oder bestimmte Arbeitstechniken keine Alleinstellungsmerkmale eines Studiums seien. Ihre Anwendung und Reflexion in der Lehre jedoch sollten Standard sein.

Die Diskussion im Anschluss an den Vortrag von Dr. Erich Behrendt bestach durch ihr hohes Niveau und das Expertenwissen der anwesenden Berufspraktiker und Lehrenden. Unter anderem wurden Detailfragen zu den neuen Bachelorstudiengängen in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften erörtert: die Akzeptanz des neuen B.A.-Abschlüsse in den Unternehmen und bei Personalchefs, ihre Bewertung im internationalen Vergleich, die Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt, die Abgrenzung gegenüber anderen Studienabschlüssen an Fachhochschulen oder gegenüber Berufsaufbildungen. Und nicht zuletzt wurde diskutiert, was SoziologInnen können (sollten) und was sie gegenüber anderen Berufsgruppen hinsichtlich ihrer fachlichen Schlüssel besonders auszeichnet.

Ein wenig schade aber nachvollziehbar war, dass das sonnige Frühlingswetter offensichtlich viele StudentInnen dazu bewegt hat, ein Lokal draußen aufzusuchen, als sich über ihre nötigen Schlüssel zum Arbeitsmarkt Gedanken zu machen. Für die wenigen anwesenden StudentInnen war der Besuch der Veranstaltung eine gute Chance in lockeren Gesprächen, Kontakte zu knüpfen, die vielleicht zu einem Praktikum oder einen Berufseinstieg verholfen haben.

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